SLON_ZahlenDaten

Sonderlager Solovki

1923-1939: Zahlen, Daten, Perspektiven

Ein zentrales Kapitel im Gedächtnis der Solovki und ganz Russlands ist das Arbeitslager, dessen Abteilungen sich von 1923 bis 1939 auf der Inselgruppe ausbreiteten. Der Fokus der Abbildung liegt auf der Idee des Arbeitslagers, seiner organisatorischen Umsetzung, sowie auf seinem modellhaften Charakter. Gestalterisch wird durch die Präsentation von topographischen Informationen, den Stimmen der Zeitgenossen und statistischen Daten versucht, den krassen Widerspruch zwischen Idee/Ideologie und Praxis zu verdeutlichen und die Grenze zwischen Idealismus und Zynismus auszuloten. 

Als Erprobungsmodell für die Umerziehung gedacht, hat das sogenannte Solovezker Lager Besonderer Bestimmung (Wort-zu-Wort-Übersetzung aus dem Russischen: SLON, ausgeschrieben Soloveckij Lager’ Osobogo Naznačenija) Solženicyns Auffassung nach das gesamte GULAG-System vorgeprägt und vorweggenommen.

Das lobpreisende, ideologisch aufgeladene Narrativ der Mächtigen wird den Augenzeugenberichten der Lagerhäftlinge (Vladimir Černavin und Dmitrij Lichačev) und ihrer z.T.  traumatisierten Opferperspektive direkt gegenübergestellt. Aber auch untereinander stehen die Stimmen auf jeder Seite in einem spannungsvollen Dialog. So findet sich auf der Seite der Mächtigen einerseits die begeisterte Einschätzung Maxim Gor’kijs, der in seinem Essay (1929) in der Zeitschrift “Naši Dostiženija” [Unsere Errungenschaften] das Lager auf den Solovki als “Übungsschule für den Eintritt in eine Kommune” bezeichnet hat und ihm die potenzielle Kraft zuschrieb, die Institution des Gefängnisses als Artefakt der bourgeoisen Gesellschaft zugunsten einer Arbeitskommune1Geradezu wie Hohn mutet es da an, dass Nemirovič-Dančenko in seiner Schilderung aus dem späten 19. Jh. das Lebens auf den Solovki als ideale/idyllische „Arbeitskommune“ bezeichnet hat. Vgl. das Plakat zur „Blüte“. abzuschaffen, und andererseits die zynische Aussage des Lagerkommandanten Naftalij Frenkel’, überliefert in Solženicyns späterem Dokumentarroman Archipel GULag (1973), dass “in den ersten drei Monaten” der Haft dem Häftling “alle Kraft genommen” werden soll, da man ihn danach “nicht mehr brauche”.

Drei Diagramme im unteren Teil des Plakats visualisieren Daten zu der Anzahl, dem Geschlecht und der Nationalität der Inhaftierten nach Jahr (die Ermittlung von Daten geht auf M. Rozanov zurück2Vgl. Sošina, Antonina: Na solovkah protiv voli: sud’by i sroki, 1923-1939. 2. Aufl, Moskva: 2014.). 

Die Karte im Zentrum der Abbildung ermöglicht einen Einblick in die Infrastruktur mit verschiedenen Abteilungen und gibt eine Vorstellung von dem Maßstab sowie der räumlichen Organisation des Lagers.