Leben und Sterben im SLON
Etappen der historischen Entwicklung
Im Vergleich zum vorhergehenden Plakat liegt der Schwerpunkt bei diesem Plakat auf dem Lageralltag und den historischen Veränderungen durch die Organisation des Lagers zwischen 1923 und 1939. Die verschiedenen Einschnitte im Zeitstrahl beinhalten Einträge zu einigen ausgewählten Eckdaten in der Geschichte des Lagers, die sowohl strukturelle Veränderungen kennzeichnen, als auch auf ungewöhnliche und im Kontext des Lagers unerwartete Aspekte des kommunalen Lebens hinweisen: den Druck von diversen Zeitschriften, die Eröffnung des Theaters und die Gründung der von den verbannten Intellektuellen betriebenen Gesellschaft für Landes-/Regionalkunde, die sich mit kulturellen Gütern der Region befasste. Das Plakat soll zum einen einen groben Eindruck von dem Leben im GULAG vermitteln, von den Entwicklungen und Veränderungen, die auf Solovki in einem rasanten Tempo von drei bis vier Jahren, und manchmal auch schneller, vonstatten gingen. Es muss bedacht werden, dass die sogenannten “Freizeitaktivitäten” neben einem achtstündigen Arbeitsalltag unter fürchterlichen Bedingungen ausgeübt wurden. Und, dass diese zu Propagandazwecken missbraucht wurden (vgl. Gor’kijs Essay; Film “Solovki”). Diese Aktivitäten wurden nach und nach eingestellt.
Das Plakat zeigt außerdem die Bemühungen der Lageradministration um wirtschaftliche Autarkie und, darüber hinaus, um profitable Produktion, die solche einschneidenden strukturellen Veränderungen wie die Gründung der Holzverarbeitungsfabrik an der Weiterleitungsstelle für Gefangenentransporte in Kem’, sowie die spätere Auflösung des Lagers und die Versetzung von Tausenden von Inhaftierten zum Bau des Belomorkanals nach sich zog.
Inhaltliche Korrespondenzen zwischen einzelnen Plakaten, Wiederkehr von bestimmten Sachverhalten (Holzverarbeitung) oder Namen deuten historische Kontinuitäten an. Hier wird beispielsweise in der ersten Lagerperiode Pavel Florenskij erwähnt, der während seiner Verbannung an Algen forschen konnte: Näheres zu seiner Person kann man auf dem Plakat “Solovki – Ort der Andersdenkenden” erfahren.
Mit diesem Plakat endet der erste, eher faktenorientierte historische Teil der Ausstellung. Der nachfolgende, zweite Teil beschäftigt sich mit der symbolischen Aufladung der Solovki im späteren 20. Jahrhundert und mit der Diskussion um das Gedenken und allgemein dem Umgang mit der Geschichte dieses Ortes in der Gegenwart.