Labyrinth und narrative Auflösung:
literarische Modellierungen des Solovki-Gedächtnisses
Die auf diesem Plakat ebenfalls in Form eines Labyrinthes zusammengestellten Zitate sind Auszüge aus verschiedenen literarischen Texten (ab den späten 80er Jahren), die sich mit dem Ort der Solovki epochenübergreifend und nicht zuletzt auch metaphorisch auseinandersetzen. Hier wird die Vielfalt der literarischen Deutungen dieses für die Geschichte Russlands so wichtigen Ortes erkennbar, sowie Versuche, die verschiedenen historischen Epochen narrativ in einen symbolischen Zusammenhang zu bringen. So werden die Solovki für Jurij Brodskij (Die Solovezker Paradoxe, 2002)[1]zum Symbol der Konfrontation zwischen Gut und Böse. In den Romanen Aviator von Evgenij Vodolazkin (2016) und Kloster [russ. “Obitel’”] von Zakhar Prilepin (2015), die auch für die Renaissance des historischen Romans in der russischen Gegenwartsliteratur stehen, werden die Solovki mit einer neuen, “hybriden” Symbolik aufgeladen, die auf die Integration von verschiedenen mit diesem Ort verbundenen Narrativen abzielt. Während es bei Prilepin und Vodolazkin eher um nationale Deutungen geht, die die Geschichte der Solovki nationalgeschichtlich einordnen und manchmal – wie im Fall des an Solženicyn anknüpfenden Prilepin – auch eine Metonymie der conditio humana darin finden, geht es dem russophilen polnischen Journalisten Mariusz Wilk eher um die Symbolik der Solovki als liminaler Ort, als Ort, der eine Grenzsituation an sich symbolisiert, wobei Wilk eine eher mystifizierende als aufdeckende Spiegel- und Labyrinthmetaphorik anwendet (“Auf Solovki sieht man Rußland, wie man das Meer in einem Wassertropfen sieht.“).
Literatur:
[1] erschienen im Almanach Soloveckoe more 1 (2002), 115-123. Vgl. auch Brodskijs Bücher: 1. Solovki. Dvadcat’ let osobogo naznačenija, Moskva: Rosspen 2002 (zuerst auf Italienisch 1998 bei La Casa di Matriona, Milano); sowie 2. Solovki. Labirint preobraženij, Moskva: Novaja gazeta 2017.