Gedächtnisstreit Solovki
Wem gehört die Geschichte?
Dieser als Plakat gestaltete Essay knüpft vor allem an das erste Labyrinth-Plakat an und versucht, die Brücke zwischen einem Feldtagebuch und einem Forschungstext zu schlagen. Er entstand zum Teil aus den vor Ort durchgeführten Interviews mit den MitarbeiterInnen des Museums-und-Naturschutzgebietes der Solovki (Soloveckij gosudarstvennyj istoriko-architekturnyj i prirodnyj muzej-zapovednik: https://www.solovky.ru/), und zum Teil aus den nach der Rückkehr durchgeführten Recherchen in den Weiten des russischen Internets. Es wurden vor allem Zeitschriftenartikel aus verschiedenen Jahren miteinander verglichen und gegen den Strich gelesen.[1] Ziel war es, die verschiedenen Akteure der Gedächtnispolitik auf den Solovki zu finden, ihr Verhältnis zueinander und ihre Gewichtung in den Debatten und Entwicklungen auf der kommunalen Ebene zu ergründen. Wer beschließt die Aufstellung von Denkmälern oder die Durchführung von Gedenktagen? Wer sind die AutorInnen und KoordinatorInnen der wissenschaftlichen Arbeit und der Öffentlichkeitsarbeit vor Ort?
Der Essay versucht, eine möglichst unvoreingenommene Perspektive einzunehmen, die streitenden Parteien neutral darzustellen und auf die Kommunikations- schwierigkeiten hinzuweisen, die allen streitenden Akteuren bzw. Parteien die Arbeit schwer machen. Das Ergebnis zeigt, dass allen diesen Akteuren gemeinsam ist, dass sie das Recht auf die richtige Auslegung der Geschichte und folglich auf die Betreibung der Gedächtnis- und Kommunalpolitik auf den Inseln für sich allein beanspruchen, ohne mit den anderen Interessenten und Experten in Dialog treten zu wollen. Diesbezüglich kommt es zu interessanten Dopplungen: es werden Gedenktage für die Opfer des GULags sowohl von der Seite der Memorial-Anhänger, als auch von den Mitarbeitern des Museums und der Klostergemeinschaft durchgeführt, aber zu verschiedenen Zeitpunkten; es w(e/u)rden Ausgrabungen aus der Lager-Periode ebenfalls von beiden Seiten durchgeführt, doch jeweils mit eigenem Ansatz und nach eigenen “Regeln”; verschiedene Exkursionsgruppen werden je nach Interessenschwerpunkt – je nachdem, ob es sich um Pilgertouristen, Ökotouristen oder die v.a. an der Lagergeschichte interessierten Besucher handelt – nicht, wie mancherorts angenommen, an verschiedenen Orten bzw. “Sehenswürdigkeiten” entlang geführt, sondern bekommen stets nur unterschiedliche Informationen darüber zu hören.
Literatur:
[1] Weiterführende Literatur: Schkurenok, N.: “Solovki – neprožitoe Prošloe“ In: Novaya Gazeta, Nr. 89 vom 19.08.2015 Rasumov, A.: „Skorbnyj Put’. Soloveckije Ėtapy 1937-1938“ Quelle: Beloedelo.ru vom 20.05.2014
Bykovski, S.: „Zdes‘ byl SLON“ Quelle: Miloserdie.ru vom 11.10.2006 Chraniteli Nasledija, „Solovki: kogo i začem my hotim obmanut‘“ Quelle: Chraniteli-Nasledia.com. vom 24.12.2015