15 Rubelneu

Der 500-Rubelschein

Während unseres Aufenthaltes auf den Solovki sind wir zufällig auf die zwei unterschiedlichen Varianten des 500 Rubel-Scheins aufmerksam geworden. Die Schwierigkeit im Umgang mit einem symbolisch mehrfach codierten Ort wie den Solovki lässt sich auch an alltäglichen Gegenständen der Gegenwart aufzeigen. Banknoten sind nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch ein Instrument der symbolischen Modellierung nationaler Identität. In allen Ländern werden sie geschmückt mit wichtigen Elementen des nationalen Gedächtnisses: berühmten Persönlichkeiten oder Erinnerungsorten. Es zeugt von der Bedeutung, die Solovki in der russischen Geschichte zugeschrieben wird, dass der Kreml des Klosters 1997 als Motiv in die zum 01. Januar 1998 in Umlauf gebrachte Serie von Banknoten aufgenommen wurde. Offenbar fiel es jedoch bis zur Erneuerung der Serie im Jahr 2010 niemandem auf, dass die auf dem Geldschein abgebildete Darstellung aus der Zeit stammt, als das Kloster als Speziallager diente. Auf der Variante der Banknote aus dem Jahr 1997 ist der Kreml des Solowezker Klosters von der rechten Seite des „Heiligen Sees“ zu sehen. Das Fehlen der Kreuze auf den Türmen des Kremls ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Ansicht nach 1923 entstand. In der neuen Banknote von 2010 wurde das Motiv des Kremls aus der Perspektive vom „Heiligen See“ beibehalten, jedoch von der linken Seite des Sees. Auf dieser neuen Darstellung sind alle Türme des Klosters mit Kreuzen versehen. Ob es sich dabei um eine Abbildung des Klosters vor 1923 oder nach 1991 handelt, bleibt offen. Die Tatsache, dass für die Gestaltung des 500 Rubel-Scheins zunächst das ‘falsche’ Bild der Solovki genommen wurde – das Bild, auf dem das Kloster gezeigt wird, wie es in den Jahren des Lagers aussah -, zeugt von dem mangelnden historischen Bewusstsein bzw. von gravierenden Wissenslücken der Gestalter, die gleichwohl Solovki – das Kloster als Denkmal der Geschichte der Orthodoxie – als so wichtigen Erinnerungsort ansahen, dass sie es für die Banknote auswählten.

Später haben wir die Interpretation dieser Geschichte von Alexander Etkind in seinem Buch Warped mourning : Stories of the undead in the land of the unburied, Stanford University Press 2013, entdeckt.[1]

 

Literatur:

[1] Vgl. auch das Interview von Anna Narinskaja mit Aleksandr Ėtkind: Советское прошлое не подлежит вторичному употреблению. erschienen in der Zeitung „Коммерсант“, Москва. www.kommersant.ru. 07.11.2014. Dt. Übersetzung für diese Seite hier: https://docs.google.com/document/d/1lD0WYZ9ViiKLy0-eiXucSAs8B-3q9pNRf4iQ_dni8-g/edit